Versetzen wir uns in das Jahr 1852 in die vielleicht etwas zu nostalgisch gesehene Zeit der Postkutschenromantik. In Altusried bemühte man sich im Januar dieses Jahres, eine eigene Postexpedition zu bekommen. Im Schreiben der Gemeindeverwaltung nach München, verfasst vom Pfarrer Carl Schmid, heißt es: Die gehorsamst Unterzeichneten erlauben sich einer Königlichen GD der Verkehrs-Anstalten die submisseste Bitte um — Errichtung einer Filial-Postexpedition zu Altusried — vorzutragen und dieselbe nachfolgender Weise zu motiviren:
Der Markflecken Altusried liegt zwischen der Post-Station Kempten und Kimratshofen und ist 2 Stunden von Kempten und 1 Stunde von Kimratshofen entfernt. Die Poststraße führt mitten durch denselben. Es befinden sich in demselben 3 Handlungen, von denen eine ihre Einkäufe alljährlich in Leipgig macht, ein Beweis, dass die Handelsgeschäfte in Altusried gewiß nicht unbedeutend sind…
Dem Antrag wurde stattgegeben und Altusried erhielt im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern ab dem 1. Mai 1852 eine Expedition für den Brief- und Fahrpostdienst. Die Expedition war kein eigenes Amt mit separaten Geschäftsräumen. Ähnlich wie es zum Teil heute wieder gehandhabt wird, übernahm der Handelsmann Joseph Franz Xaver Miller diese neue Aufgabe und stellte in seinem Geschäft eine Ecke dafür bereit. Sein Handelsunternehmen befand sich damals an der Stelle der heutigen Raiffeisenbank Hauptstraße 25. In seinem Dienstvertrag ist unter § 10 hinsichtlich der Einnahmen für den Postexpeditor zu lesen:
Eine 5% Tantieme aus den Zeitungspränumeralien-Geldern, der Brief sowie der Frankomarken und Fahrpostrechnung
Eine Aversalzulage von jährlich 50 Gulden oder Ouartiliter 12 Gulden 30 Kreuzer
Eine Tantieme von 5% aus der Ablieferungsschuldigkeit der Brief- sowie der als Nebenbezug die ordnungsgemäßen Recommandations-, Schein- und Einschreibegebühren
Schon nach zwei Jahren übernahm der Sohn Franz Xaver Miller die Aufgabe des Vaters und blieb die nächsten 20 Jahre der Altusrieder Postexpeditor
Ein Postbote ist dringend notwendig
Zu den Aufgaben des Postexpeditors gehörte auch die Verteilung der Post. Schon bat der Postexpeditor Miller um die Genehmigung eines Boten, was jedoch abgelehnt wurde. Als sein Nachfolger Xaver Herz für zwei Jahre den Posten übernahm, unterstrich die Gemeinde mit einem Bittgesuch vom 27.1.1873 beim Oberpostlohnamt München wieder die dringende Notwendigkeit eines Postboten. Der Bürgermeister schreibt u.a.:
… da an einer so zerstreuten Gemeinde von 69 Ortschaften, Weiler und Einöden gar nicht möglich ist, dass die Bewohner befriedigt werden, nochmals erst in 8 Tagen die Briefe, Zeitungen und andere Gegenstände an den rechtmäßigen Ort gelangen. Altusried hat viele Geschäftsleute worunter zwei Kaufmannschaften, fünf Kleinkrämer und Hukler, Seiler, Mahl- und acht Segmüller, sieben Wirtschaften und endlich fünf Knochenmühlen, die bereits alle Tage mit der Postexpedition zu verkehren haben, dann werden cirka 200 Blätter gelesen.
Weiter wird erklärt, dass der Expeditor — damals Xaver Herz — folgende Orte zu begehen habe: Ausgangspunkt ist der Markt Altusried, dann in die Unterhub, nach Geißmers, Weyers, Ried, Himo, Hinteregg und in die Schule von Bergen, nach Schöneberg, Käßers, Bräunlings, Lauser, Ottostall, Binzen, Hochholz, Diepolz, Thannen und Völken. Sämtliche Orte inklusive des Marktes beanspruchten eine Dienstzeit von wenigstens 11 Stunden. Sicherlich ist der Bote diese Strecke nicht jeden Tag gegangen, dennoch muss man bedenken, dass er seinen Botendienst bei jedem Wetter, zu Fuß und beladen mit Post und Päckchen erledigen musste und auch seine Postexpeditionen nicht vernachlässigen durfte.
Postschlitten im Winter zwischen Altusried und Kimratshofen um 1942
Im Mai 1874 wies der Bürgermeister mit Nachdruck wieder auf den Mangel eines Postboten hin und erklärte, daß das Bedürfnis immer fühlbarer wird, da man zum Beweis die Nachbargemeinde Krugzell mit einer Seelenzahl von 1854 schon jahrelang an diesem Mangel leiden muß.
Zur gleichen Zeit bewarb sich Josef Sutter um die freiwerdende Stelle eines Postexpeditors und unterstrich noch einmal, wie wichtig es sei, einen Postboten einzustellen, da selbst Schulkinder und Kirchgänger bei der Postverteilung mitwirkten. Mit der Übernahme der Postexpedition in sein Geschäft (heute Hauptstraße 25) durch den Kaufmann Josef Sutter am 1. Juni 1874 wurde endlich auch ein Postbote eingestellt mit einer fixen jährlichen Bezahlung von 250 Gulden.
Vor 125 Jahre erhielt Altusried eine Telegraphenverbindung
Die Telegraphie war längst weit verbreitet; auch Altusried wollte sich die neue Technik zu Nutze machen. Auf Antrag der Gemeinde erfolgte rasch die Zusage. Das erste Telegramm traf am 27. November 1877 in Altusried ein und beinhaltete als Test einen Probetext von der Hauptstelle in München mit folgendem Wortlaut: An die selbstständigen Stationen: Station Altusried, mit Post vereinigt, eröffnet. Vermittlungsstation Kempten. Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis 1904 die Telegraphenanstalt Altusried mit einem Telefon ausgestattet wurde, welches dann auch der Bevölkerung als öffentliche Telefonzelle zur Verfügung stand.
Das erste Telegramm nach Altusried vom 27. November 1897
Die Post bekommt eine feste Bleibe
Im Jahre 1895 gab der Kaufmann Josef Sutter sein Amt als Postexpeditor ab und verkaufte sein Haus. Die Poststelle zog ein paar Häuser weiter (heute Hauptstraße 19). Die neuen Räume wurden von der Post angemietet und eingerichtet. Es war immer noch eine Postexpedition, also eine Agentur, und durfte nicht als Postamt bezeichnet werden. Ein noch erhaltener Plan zeigt die Aufteilung der Lokalität in einen Schaltervorplatz, einen Schalterraum und zwei Nebenräume. Im Mietvertrag von 1895 wurde die Miete auf 200 Gulden pro Jahr festgesetzt.
Vor einem Jahrhundert, 1902, gab der damalige Postexpeditor und Bauzeichner Eduard Schaub in seiner Geschäftsübersicht interessante Hinweise auf sein „Postunternehmen“, die von einer Benutzungsfreundlichkeit zeugen, die heute nicht mehr erreicht wird:
Der Post- und Telegraphenschalter ist geöffnet: Werktags von 8-12 und 14-19 Uhr. Am Sonntag von 8 bis 9 Uhr und von 11 bis 12 Uhr. Inzwischen gibt es zwei Postboten. Im Ort wird die Post Werktags und Sonntags zugestellt. Die Botengänge über Land sind für den einen Postboten täglich 23,4 Kilometer für den anderen 16,7 Kilometer. Das dies zu Fuß geschieht ist selbstverständlich.
Wohl für statistische Zwecke führt Eduard Schaub auch diverse Geschäfte bzw. Postkunden auf und gibt uns somit einen Einblick in die damalige Geschäftswelt von Altusried. Unter anderem waren Postkunden: Das Pfarramt, der Bürgermeister, der Arzt, 6 Mahl- und Sägemühlen, 2 mechanische Werkstätten, 2 Hammer- und 1 Hufschmied, die Brauerei, 5 Gastwirtschaften, 24 Sennereien, eine Butter- und Käse Handlung, 5 Knochenstampfen, eine Gerberei mit Lohmühle, 3 Kälberhandlungen, eine Pflanzen-, Kartoffel- und Krauthandlung, ein Konsumverein für Düngemittelbezug, 6 kaufmännische Geschäfte.
Namensgebung für Gasthaus und Brauerei
Der Brauereibesitzer August Batsch errichtete an der Hauptstraße in Altusried an Stelle eines landwirtschaftlichen Anwesens eine Schankwirtschaft mit Fremdenzimmern. Auch ein Festsaal mit Bühne gehörte dazu. 1912 fand die Eröffnung des Wirtschafts- und Saalbetriebs statt. Gleichzeitig erfolgte die Vermietung von Räumen an die Post. So zog die Post wieder ein paar Häuser weiter (heute Hauptstraße 9) und wurde zur Namensgeberin des neuen Gasthauses und der in der Nähe gelegenen Brauerei. Was bisher den Namen „Zum Schwanen“ trug, hieß nun „Gasthaus und Brauerei zur Post“.
Eine der letzten Postkutschenfahrten um 1912
Ab September 1911 wurde die Post mit berufsmäßigem Personal besetzt. Seit dem 1. August 1924 durfte sich die Postexpedition in Altusried offiziell „Postamt“ nennen.
Die Postkutsche hat ausgedient
Als ein Bild „frohen Fortschritts“ bezeichnete man die neue Motorpostlinie zwischen Kempten und Kimratshofen, die im Mai 1914 eröffnet wurde. Zur feierlichen Einweihung „brausten“ am 29. Mai 1914 drei große Wagen mit zwei Anhängerwagen, besetzt mit Honoratioren, von Kempten nach Kimratshofen. Ein Zeitzeuge schrieb:
Über die Automobile selbst dürften folgende Angaben von Interesse sein: Die Wägen sind mit 35 pferdigen Daimler-Motoren ausgerüstet, die eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern zu leisten vermögen. Die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit wird jedoch 15 Kilometer kaum überschreiten, teils aus Sicherheitsgründen, teils auch mit Rücksicht auf das hügelige Gelände. Die Motorwägen bieten 18 Personen Sitzgelegenheit, während in den Anhängewägen für 20 Fahrgäste Platz ist. Zur Aufrechterhaltung desVerkehrs bleiben 2 Wägen in Kempten stationiert, die den Chauffeuren Maier und Glaser anvertraut sind.
An verschiedenen Haltestellen begrüßte die Bevölkerung jubelnd die neuen Fahrzeuge, so auch in Altusried:
Triumphbogen aus Tannengewinden spannten sich über den Weg. Das Krachen der Böller mischte sich in das Knattern der Motore. Neugierde und Freude stritten in den Gesichtern der eilig unter die Tür getretenen Bewohner, bis vor der Haltestelle zur„Post“ die Freude das ganze Feld beherrschte. Die Musikkapelle Altusried stimmte einen Begrüßungsmarsch an.
Einzug des Postomnibusses in Altusried Haltestelle Gasthof zur Post
Vorbei war es nun mit der Postkutschenromantik. Seit 1908 hatte es zweimal täglich eine Postfahrt nach Dietmannsried und nach Kempten gegeben; sechs Person fanden in dem Postwagen Platz. Vorher waren diese Strecken nur einmal täglich bedient worden von dem aus Kimratshofen her fahrenden Postwagen. Die Post hielt den Linienverkehr mit Omnibussen als Verbindungslinie Kempten Leutkirch 48 Jahre lang aufrecht. Seit 1929 gibt es das Busunternehmen Gromer in Kimratshofen mit der Konzession für den Linienverkehr Kempten-Kimratshofen. Im Jahre 1945 kam noch die Firma Morent aus Altusried hinzu als Betreiber der Linienverbindung Altusried-Kempten. Die Post stieg 1962 aus dem Linienverkehr aus. Die beiden Busunternehmen Gromer und Morent sind auch heute noch für den Linienverkehr im Einsatz.